Nachdem ich bereits von Erebos so begeistert war, konnte ich es kaum erwarten, endlich mit Erebos 2 zu beginnen. Vorab lässt sich allerdings eins sagen: Erebos 2 ist gut, sogar sehr gut, aber es übertrifft den ersten Teil nicht.
Vor allem bin ich auch, anders als die Autorin selbst, der Meinung, dass man den ersten Teil gelesen haben muss, um den zweiten umfassend zu verstehen. Da ich Erebos vor Erebos 2 gelesen habe, habe ich auch im Bekanntenkreis gefragt. Jemand hatte den zweiten Teil gelesen, ohne zuvor den ersten gelesen zu haben. Sie sagte mir, dass ihr einige Anknüpfungspunkte gefehlt hätten, da sehr regelmäßig Rückschlüsse aus der Vergangenheit gezogen werden würden.
Ideen weiterspinnen
Ihre Idee weiterspinnen, das hat Ursula Poznanski gemacht. Nach über 10 Jahren erscheint der zweite Teil des Erfolgsschlagers. Für sie sei die Geschichte eigentlich zuende erzählt gewesen, sagte die Wienerin. Doch nach so langer Zeit scheint sie es sich anders überlegt zu haben. Bereits in meiner Rezension zu Erebos habe ich angemerkt, dass ich einige Anknüpfungspunkte gefunden habe, mit denen man die Geschichte hätte weitererzählen können. Poznanski hat keinen davon gewählt. Ihren Anknüpfungspunkt erfährt der Leser auch eigentlich erst auf den letzten Seiten des Buches, sodass ich an dieser Stelle noch nicht allzu viel vorwegnehmen möchte. Was mich jedoch wirklich gestört hat, ist die Tatsache, dass ich nicht erfahren habe, ob Ortolans Schuld bewiesen werden konnte. Dieser Punkt hat mich bereits am Ende von Erebos sehr beschäftigt und nicht losgelassen.
Der neue, alte Nick
Poznanski hat Nick altern lassen. Die zehn Jahre, die zwischen der Erscheinung von Erebos und Erebos 2 in der Realität vergangen sind, sind auch im Buch vergangen. Nick ist also bereits erwachsen und studiert Fotojournalismus. Ich muss zugeben, dass ich damit nicht gerechnet habe. Im ersten Teil erfährt man nichts über seine Kreativität, Leidenschaft oder Neigung zur Fotografie. Dennoch macht es die Geschichte und Nicks Arbeit abwechslungsreich. Nick und Emily haben sich in der Zwischenzeit getrennt und laufen sich im Laufe der Geschichte wieder über den Weg. Das Knistern zwischen ihnen gibt es allerdings immer noch.
Derek alias Nick Dunmore?
Poznanski switcht zwischen Nicks und Dereks Sichtweisen. Ich weiß nicht, ob es daran liegt, dass ich Nick bereits kenne und vielleicht schon eine Art Beziehung zu seinem Charakter aufgebaut habe, aber in Derek konnte ich leider keinen zweiten Nick finden. Derek hat es vom Symphatiegrad nicht geschafft, Nick zu überholen. Obwohl sich die Geschichten der beiden sehr ähneln. Auch Derek beobachtet aus weiter Ferne ein Mädchen, das scheinbar sehr beliebt ist und auch er hat einen Rivalen in der Schule. Doch irgendwie erschien Derek mir nie so nah und plastisch wie Nick. Es könnte natürlich auch hier der Situation geschuldet sein, dass Nick und Derek sich die Buchseiten teilen mussten und keiner die komplette Buchbühne für sich hatte.
Neueste Abhörtechniken
Bereits im ersten Teil war es gruselig, wie sehr Erebos Einfluss auf seine Spieler in der Realität hat. In Erebos 2 legt Poznanski noch eine Schippe drauf. Das Spiel überwacht einfach alles und hat ganz neue Möglichkeiten, um sich in das Leben seiner Spieler einzumischen. Hier hat mir besonders gut gefallen, dass die Autorin mit der Zeit gegangen ist und die Idee eines totalitären Staats bzw. einer totalen Überwachung in ihre Story verwoben hat. Ich habe mich während des Lesens ständig gefragt: Was kann Erebos eigentlich nicht?
Ein unvermitteltes Ende
Nach dem Ende des Buches hatte ich Redebedarf. Gut, dass ich bereits einige Personen kannte, die das Buch bereits gelesen hatten, sodass ich mich dazu auslassen konnte. Für mich macht ein gutes, spannendes Buch eins aus: Wenn ich ganz genau und aufmerksam lese, dann finde ich Indizien, die für ein Motiv sprechen. Das bedeutet: Ich kann eine vage Idee entwerfen, wie die Handlung zustande gekommen ist. Hier hätte ich also eine Idee skizzieren können, wie Erebos zurückgekommen ist und was es vor hat. Hier wurde ich leider komplett im Dunkeln gelassen. Bis zur Auflösung hatte ich keinen blassen Schimmer. Für mich kam das Ende dann sehr plötzlich und gleichzeitig auch irgendwie ein bisschen zu weit hergeholt. Für mich war das Ende und die Intention dahinter, Erebos wieder zum Leben zu erwecken, nicht ganz logisch. Hier fehlte mir einfach etwas.
Doch für mich ist eins klar: Es gibt kein Erebos 3. Jetzt glaube ich die Geschichte ist auf jeden Fall zuende erzählt. Denn bereits während ein paar Sequenzen hat mich das Gefühl von Langeweile beschlichen, da sie mir bereits aus dem ersten Teil bekannt waren. So konnte mich beispielsweise Dereks Wahl des Spielcharakters, der wieder von einem Besuch des Gnoms gestört wurde, eher weniger begeistern. Mit einem dritten Teil würden sich diese Empfindungen wahrscheinlich verstärken.
Dennoch: Sowohl Erebos als auch Erebos 2 sind faszinierende Handlungen mit einem hohen Spannungsfaktor, die mir sehr viel Freude beim Lesen bereitet haben.